Sprache zwischen Gut und Böse: der Euphemis­mus

Grüne und rote Erdbeere

© Rainer Sturm/pixelio.de

Manchmal ist der Grad zwischen Taktlosigkeit und Ehrlichkeit sehr schmal. Viele haben wohl schon die Erfahrung gemacht, dass schon ein kleiner sprachlicher Fehlgriff zu großen Unstimmigkeiten und Missvergnügen führen kann. Deshalb stehen wir im Alltag oft vor der Frage, ob wir unseren Mitmenschen die schonungslose Wahrheit, eine taktvolle Halbwahrheit oder gar eine satte Lüge sagen wollen.

Die sprachliche Bezeichnung der Abteilung „taktvolle Halbwahrheit“ wird als Euphemismus bezeichnet. Euphemistische Ausdrücke können dazu da sein, uns, unsere Taten und unsere Gedanken und unsere Welt schöner, liebenswerter, besser, einfacher und vor allem erträglicher zu machen, sind Euphemismen nicht gut beleumundet.

Das ist bedauerlich, denn Euphemismen sind sehr interessant – er besitzt nämlich die erstaunliche sprachliche Kraft, grammatisch einerseits Fakt und Wunsch eindeutig zu bezeichnen und gleichzeitig semantisch Fakt und Wunsch in eine Sphäre des Ungefähren zu verschieben.

Ein Euphemismus wandelt eine Tatsachenbeschreibung immer auch in etwas Weicheres, Geschmeidigeres und Unbestimmteres. Dies geschieht aber nicht etwa dadurch, dass etwas verschwiegen oder ausgelassen wird. Das wäre dann ein „Tabu‟ – etwas „Unaussprechliches“ (wobei sich schon manche die Frage gestellt haben, ob es so etwas überhaupt gibt?). Nein, Euphemismen unterdrücken, verschweigen oder verdrehen nicht wie bei einer Unwahrheit – fällt Ihnen hier etwas auf? –,  sondern sie bezeichnen sehr wohl, was ist. Euphemismen werfen jedoch einen milden Buchstabenschleier über einen Sachverhalt und machen durch mannigfaltige Umschreibungen so manches eigentlich Unerträgliche oder Unsagbare erträglich, gar manchmal amüsant oder unterhaltsam.

So manches Mal aber – und das soll nicht verschwiegen werden – verschleiern und verdecken Euphemismus aber auch, was ist und ohne Umschweife zu benennen wäre. Deshalb kann er sich bei all seiner sprachlichen Mannigfaltigkeit und positiver Eigenschaften nicht des Vorwurfs erwehren, dass bei ihm so manches Mal die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge zu unscharf verläuft. Und dies nehmen ihm so manche übel.

Euphemistische Ausdrücke rühren sicherlich daher, weil wir Menschen in unserer Kommunikation ständig darum bemüht sind, Konsens und Harmonie herzustellen. Dies gelingt uns auch in unserer gemeinsamen Alltagskommunikation auch erstaunlich gut. Und zu diesem Gelingen der sprachlichen Kommunikation tragen ganz wesentlich Euphemismen bei.